Tipps & Tricks

21.11.24

Ein Jahr lang arbeiteten ein Lehrender und ein HDS-Coach gemeinsam daran, SDGs in Lehrveranstaltungen einzubetten: ein Erfahrungsbericht aus zwei Perspektiven

Perspektive des Coachees (Prof. Dr.-Ing. Jan Schaaf)

Der Wunsch bestand von meiner Seite schon seit längerem: Nachhaltigkeit soll nicht nur im Titel meiner Lehrveranstaltungen stehen, sondern als wesentliches und strukturgebendes Prinzip in der Lehre erkenn- und erfahrbar werden. In meinem Studiengang des Wirtschaftsingenieurwesens müssen zwei fachliche Welten sinnvoll miteinander verbunden werden, was dazu führt, dass die Zeit für zusätzliche Inhalte sehr beschränkt bzw. gar nicht vorhanden ist. Demzufolge fehlte es mir an Ideen, wie das Thema Nachhaltigkeit (noch) stärker eingebunden werden kann. Es gibt zwar viel Material und zahlreiche Workshops zum Thema Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE), diese gehen jedoch in meiner Wahrnehmung meistens nicht über die Erläuterung der Ziele und der übergeordneten Struktur dieses Bildungskonzeptes hinaus. Oder anders formuliert: Wie BNE für die eigene Lehre ganz konkret nutzbar gemacht werden kann, blieb mir nicht selten verborgen. Vor diesem Hintergrund schien mir das Angebot der HDS für ein Lehr-Coaching deutlich zielführender. Es wirbt damit, individuelle Lösungen für herausfordernde Lehrentwicklungsvorhaben oder komplexe Anforderungen in Prozessen der Lehr- und Curriculumentwicklung gemeinsam mit einem erfahrenen, externen Coach zu erarbeiten – und das hat sich auch bewahrheitet.

Zu Beginn konnte ich aus einem Pool erfahrener Coaches mit z.T. unterschiedlichen fachlichen Profilen in Absprache mit dem HDS einen Coach wählen. Im Vorgespräch mit dem Coach wurden zunächst Sympathien und Befindlichkeiten abgeklopft. Im zweiten Schritt konnte ich meine Lehrphilosophie und meine Rolle im Studiengang und an der Hochschule reflektieren und wir formulierten gemeinsam die Ziele für den Coaching-Prozess. Im Laufe eines Jahres haben wir dann in mehreren Online-Treffen ganz konkret einzelne Lehrveranstaltungen besprochen. Voraussetzung dafür war jeweils die Analyse der bisherigen Lehrprozesse und -materialien. Das heißt, mein Coach und ich hatten die Möglichkeit, im Detail z.B. ausbleibende Lernerfolge oder fehlende Inhalte zu thematisieren und Lösungsansätze dafür zu entwickeln, wobei der Coach immer mit einem konkreten Vorschlag in die Diskussion eingestiegen ist. Für ein Grundlagen-Bachelormodul haben wir beispielsweise vereinbart, dass wichtige Prinzipien der Nachhaltigkeit – wie die Sustainable Development Goals (SDGs) oder die drei Säulen der Nachhaltigkeit – deutlicher als wiederkehrende und strukturgebende Elemente in den Lehrprozess integriert werden. Dies kann mittels der Aufgabenstellung für das Selbststudium im Rahmen von Inverted Classroom-Veranstaltungen oder der Auswahl von Praxisbeispielen und deren Reflexion gemeinsam mit den Studierenden erfolgen. 

Das gemeinsame Erarbeiten und die permanente Erinnerung meines Coaches, immer wieder zu reflektieren, nicht ob, sondern wie die eingeübten Strukturelemente (SDGs etc.) sinnstiftend in eine Lehrveranstaltung integriert werden können, hat zu mehr Struktur geführt und die Studierenden hoffentlich dazu befähigt, sich systematisch mit den gegenwärtigen Herausforderungen auseinanderzusetzen. Diese konsequente – z.T. auch beiläufige – Thematisierung von Nachhaltigkeit in den bestehenden Lehrveranstaltungen erforderte keine größeren zusätzlichen Zeitfenster und war auch ohne grundlegende Änderung des (gesamten) Curriculums möglich.

Der größte Mehrwert des HDS-LehrCoachings bestand für mich darin, dass gezielt und pragmatisch auch im Kleinen Lösungen für meine Lehrentwicklung gefunden wurden. Darüber hinaus war der vergleichsweise lange Coaching-Zeitraum von einem Jahr sehr sinnvoll und hilfreich, um gefundene und entwickelte Ansätze auszuprobieren und Gelegenheit für Feedback zu haben. Im Ergebnis war das HDS-LehrCoaching eine sehr gewinnbringende Erfahrung, die – individuell zugeschnitten – zu einer Verbesserung meiner Lehre geführt hat. Inwieweit sich dadurch die Studierenden zu den Change Agents entwickeln, die der BNE-Ansatz als Ziel formuliert, bleibt abzuwarten und ich werde dies weiterhin beobachten.

 

Perspektive des Coaches (Dr. Jochen Spielmann)

Im hochschuldidaktischen Coaching geht es mir um ein ständiges Balancieren der unterschiedlichen Perspektiven: der sachlich-fachlichen Perspektive, wie kompetenzorientiertes Lernen und Lehren gestaltet werden kann, der personalen Perspektive, was zu der Persönlichkeit des Lehrenden passt, der sozialen Perspektive, wie Lehr-Lern-Interaktionen gestaltet werden können, und der kontextualen Perspektive, wie die Rahmenbedingungen beachtet werden können. 

Konkret haben wir daran gearbeitet, wie intendierte Lernergebnisse (Intended Learning Outcomes) formuliert werden können, wie dazu passende Prüfungsformate aussehen können und wie eine Modulbeschreibung formuliert werden kann, die den Studierenden Orientierung gibt. Darüber hinaus ging es darum, wie mein Coachee seinen Arbeitsaufwand in Grenzen halten kann und wie auch die Partnereinrichtungen aus der Wirtschaft einen Gewinn aus den Kooperationsprojekten mit den Studierenden ziehen können. 

Da sich gesellschaftliche Transformation nur im Verbund verwirklichen lässt, könnte in einem nächsten Schritt ein Angebot für einen Kreis von Lehrenden entwickelt werden, die gemeinsam Lehrveranstaltungen zu sozialer, ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit gestalten wollen.

Autor:in

Jan Schaaf (jan.schaaf@htwk-leipzig.de) & Jochen Spielmann (jochen.spielmann@tu-braunschweig.de)