Neuigkeiten

13.04.23

Mit dem Papier wird der Zusammenhang von KI-Technologien und Hochschulbildung aus Sicht einer Gruppe von KI-interessierten Hochschuldidaktiker:innen an sächsischen Hochschulen skizziert. Als KI-Technologien verstehen wir Computersysteme, die kognitive Aufgaben von Menschen teilweise oder vollständig übernehmen können.

Es werden:

  • fünf Thesen zum Einfluss von KI-Technologien auf Hochschulbildung genannt sowie 

  • drei Ableitungen für die hochschuldidaktische Arbeit vorgestellt.

Das Papier dient dazu, eine progressive hochschuldidaktische Sichtweise in den Diskurs einzubringen


WIE WERDEN KI-TECHNOLOGIEN DIE HOCHSCHULBILDUNG VERÄNDERN? 

1. KI-Technologien sind in der wissenschaftlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Praxis angekommen. KI-Technologien werden bleiben. Die Bearbeitung akademischer, ursprünglich der menschlichen Intelligenz vorbehaltener Probleme wird zunehmend durch KI-Technologien unterstützt oder übernommen.

2. KI-Technologien treiben den Wandel hin zu einer kompetenzorientierten Lehr-, Lern- und Prüfungskultur an Hochschulen an.

 

  • Qualifikationsziele: Hochschulen werden Menschen auf eine KI-gestützte Lebens- und Arbeitswelt vorbereiten. Die erforderlichen (Digital-) Kompetenzen prägen die Lehr- und Lernprozesse. Fachwissen ist eine notwendige, jedoch keine hinreichende Qualifikation von Absolvent:innen. Benötigtes Wissen wird in einem konstruktivistisch-konnektivistischen Sinn und in Wechselwirkung mit anzustrebenden Handlungskompetenzen verstanden. Studierende aller Studiengänge lernen, Problemlösungen im Zusammenwirken von menschlicher und künstlicher Intelligenz zu initiieren, zu steuern sowie nach fachlichen und ethischen Kriterien zu bewerten.

  • Lehren und Lernen: KI-Technologien werden immanenter Bestandteil des Lehrens und Lernens sein – sowohl als Bildungsinhalt als auch als Lern- und Lehrmethode. Lehrende gestalten die dafür notwendigen Lernräume. Studierende werden von KI-Technologien bei der Bearbeitung von fachlichen Problemen unterstützt und beim Lernen begleitet. Hochschulen profitieren von den Lernerfahrungen der Studierenden und nutzen diese für die Weiterentwicklung der Lehre.

  • Leistungsnachweise: Deskriptive oder synthetisierende Textprodukte sowie weitere, von KI-Technologien erstellbare Produkte sind als Leistungsnachweis ungeeignet. Versuche, KI-Technologien zu verbieten und mit KI-Technologien erstellte Produkte zu entlarven, erscheinen didaktisch und technisch unsinnig. Es müssen zukünftig verstärkt formative, lernbegleitende, prozess- und dialogorientierte Prüfungen durchgeführt werden.

 

3. Die Lehrenden orientieren sich bei der Gestaltung von Lehre (neben weiteren Bedingungen wie den individuellen Lernvoraussetzungen der Studierenden oder dem Erkenntnisstand und Diskurs in den Disziplinen) an der Entwicklung der KI-Technologien. Die Vorläufigkeit von Lehr-Lern-Ansätzen wird durch das exponentielle Wachstum der Leistungsfähigkeit von KI-Technologien verschärft. Kontinuierliche Anpassung und Agilität in Lehre und Studium sind obligatorisch.

4. Die akademische Gemeinschaft gewinnt an Bedeutung. Die Dynamik in der Entwicklung von KI-Technologien stellt das einseitige Verständnis von Lehrenden als Wissensträger:innen im Lehr-Lern-Prozess ebenso in Frage, wie den Anspruch an die Hochschuldidaktik, für jede didaktische Herausforderung im Zusammenhang mit KI-Technologien Lösungen anzubieten. Der hohe Grad an Agilität in Lehre und Studium kann nur kollaborativ, d. h. akteur:innen-, rollen- und hochschulübergreifend, in einer lernenden, akademischen Gemeinschaft gelingen – die über die nötigen Strukturen und Ressourcen verfügt. 

5. KI-Technologien werden zu disruptiven Veränderungen in der Hochschulbildung führen. Durch das potenzielle Zusammenwirken von menschlicher und künstlicher Intelligenz werden die Anforderungen an Studierende und Absolvent:innen steigen (z. B. Grundverständnis von KI-Technologien, Kompetenzen im Umgang mit KI-Technologien, Verantwortungsübernahme für KI-gestützte Arbeitsergebnisse). Dadurch könnte die Hochschulbildung an Bedeutung gewinnen. Andererseits könnten Technologieunternehmen als Akteur:innen im Bildungsbereich an Relevanz gewinnen. Deren KI-Technologien könnte aus dem Zusammenspiel von Gestaltung der Lernumfelder sowie von Analyse von Lernwegen und Lernergebnissen eine Lerneffektivität ermöglichen, die an traditionellen Hochschulen nicht möglich ist. Technologieunternehmen werden machtvolle "Player" und könnten als Konkurrenten zu traditionellen Hochschulen auftreten. Ein Nicht-Anpassen der öffentlichen Akteur:innen und Institutionen geht mit dem Risiko der Obsoleszenz einher.


WAS SIND ABLEITUNGEN FÜR DIE HOCHSCHULDIDAKTISCHE ARBEIT?

KI-Technologien werden Gegenstand der hochschuldidaktischen Arbeit sein und diese nachhaltig beeinflussen – in den Rollen Kursleiter:in, Berater:in, Organisationsentwickler:in, Vernetzer:in usw. Das Einbringen und Aufgreifen von KI-Technologien erfolgt entlang des fachlichen und ethischen Selbstverständnisses von Hochschuldidaktiker:innen. KI-Technologien stellen dabei keinen Selbstzweck dar, sondern werden absichtsvoll thematisiert, um die Qualität der Lehre zu verbessern und den Studienerfolg zu erhöhen. Je nach Kontext entscheiden Hochschuldidaktiker:innen, aus welchem Modus heraus sie KI-Technologien thematisieren.

 

  • Modus „Transfer“

    Das disruptive Potenzial der KI-Technologien für akademische Tätigkeiten und die Dynamik ihrer Entwicklung stellen die Hochschullehre vor Herausforderungen. Hochschuldidaktiker:innen unterstützen in Kollaboration mit Lehrenden und Studierenden den Transfer von KI-Technologien in die Hochschullehre. KI-Technologien werden ihren Platz in didaktischen Settings, Studiengangentwicklung, Leitbilder, usw. finden. Das studentische Arbeiten mit KI-Technologien wird mit anderen Kompetenzbereichen in didaktischen Settings, Studiengangentwicklung, Leitbilder, usw. finden. Das studentische Arbeiten mit KI-Technologien wird mit anderen Kompetenzbereichen in Beziehung gesetzt.

  • Modus „Kritisches Hinterfragen“

    Hochschuldidaktiker:innen widerstehen, auf KI-Technologien die Verwirklichung der eigenen Entwicklungshoffnungen in der Hochschullehre zu projizieren. Obwohl das Transformationspotenzial von KI-Technologien und deren Bedeutung in den (zukünftigen) Lebenswelten für die Gestaltung von Lehren und Lernen an Hochschulen beachtet werden, wird den KI-Technologien auch mit begründeter Skepsis begegnet. Probleme und Risiken wie die kommerziellen Bestrebungen der Technologieunternehmen, die Funktionalisierung akademischer Bildung, die Verschärfung von Ungleichheit, die individuellen Verunsicherungen (bis hin zu existenziellen Ängsten) sowie rechtliche Herausforderungen werden von Hochschuldidaktiker:innen berücksichtigt und thematisiert.

  • Modus „Brennglas“

    KI-Technologien irritieren das Verständnis von Eigenschaften, die bisher vor allem dem Menschen vorbehalten waren: Bewusstsein, Intelligenz, Originalität usw. Die selbstreferenzielle Infragestellung zeigt sich auch in der Hochschullehre: In welchem Bezug steht Hochschullehre zu den (zukünftigen) Lebenswelten der Studierenden? Was ist der Kern der Hochschulbildung? Was ist der Sinn einer Hausarbeit? Hochschuldidaktik greift diese Irritationen auf und nutzt sie, um die Lehr-, Lern-, Arbeits- und Prüfungskultur an Hochschulen zu hinterfragen sowie deren Entwicklung zu begleiten und mitzugestalten.


NACHWORT

KI-Technologien entwickeln sich rasant. Dies führt einerseits zu Irritationen und Verunsicherung. Andererseits werden mit dem Einsatz von KI-Technologien Hoffnungen auf Fortschritt und Verbesserungen in den Lebenswelten verbunden. Aufhalten lassen sich KI-Technologien jedenfalls nicht.

Wir haben dieses Papier im ersten Quartal 2023 erarbeitet, um Orientierung zu geben und den Diskurs zu befeuern. Wie viele akademische Praktiken werden auch unsere Thesen und Ableitungen nicht lange haltbar sein.


Mit der Veröffentlichung der Hochschuldidaktischen Perspektiven auf KI-Technologien laden die Mitstreiter:innen gleichzeitig zu einem hochschuldidaktischen Austausch der Thesen und Ableitungen ein:

 

Dienstag, den 25.04 | 10 Uhr | digital.
Raumzugang: 

https://htwk-leipzig.zoom.us/j/68868258828?pwd=ZWg4K2NCUEloTmJOU3BFTVgyMyt3UT09

 

Ziel dieses Treffens ist es, den Diskurs über die Entwicklung und Auswirkungen von KI-Technologien auf die Hochschullehre und die Vernetzung innerhalb Sachsens zu stärken, Personen zu ermöglichen sich zu informieren und weiterführend Handlungsableitungen für die Praxis zu formulieren.

Ihre Meinungen, Sichtweisen und Kritikpunkte zum Thema können Sie bereits jetzt asynchron auf Conceptboard teilen: https://app.conceptboard.com/board/oesp-fkig-9u24-5rxb-q7i3

 

Mitstreiter:innen: Franziska Amlung, Paul Plankenbichler, Stefan Müller, Matthias Heinz, Ulrike Rada, Ronny Freudenreich, Josefine Marquardt, Juliane Baier, Robin Heitz, Cornelia Grunert

 

 

 
 

 

Autor:in

Franziska Amlung, Paul Plankenbichler, Stefan Müller, Matthias Heinz, Ulrike Rada, Ronny Freudenreich, Josefine Marquardt, Juliane Baier, Robin Heitz, Cornelia Grunert